Portugal, März 2011: Die verlorene Generation, die „Geração à Rasca“, betritt die politische Bühne. Am 12. März gehen landesweit mehrere hunderttausend zumeist junge Menschen auf die Straße. Sie wenden sich gegen die zunehmend prekären Lebensverhältnisse. Allein in Lissabon kommen 200.000 Menschen zusammen, weitere 80.000 in Porto und insgesamt 20.000 in neun weiteren Städten. Zeitungen sprechen vom größten Protest seit der Nelkenrevolution 1974.
Die Demonstrationen werden von keiner festen Organisation, von keiner Gewerkschaft oder Partei getragen. Die Mobilisierung erfolgt übers Internet, mehr als 60.000 Menschen unterstützen den Aufruf auf Facebook. Einige PolitikerInnen der linken Opposition (Kommunistische Partei und Linksblock) schließen sich zwar den Protestzügen an. Sie laufen aber weder in der ersten Reihe, noch halten sie Redebeiträge. Nur vereinzelt tauchen die Fahnen diverser Organisationen auf. Stattdessen dominieren selbst gemachte Transparente und Schilder.
Schon zuvor haben die InitiatorInnen auf ihrem Blog jede politische Vereinnahmung zurück gewiesen: „Wir bekräftigen die völlige Unabhängigkeit des Protestes von allen Strukturen oder Bewegungen politischer oder ideologischer Art. Dieser Protest ist: überparteilich, offen für alle Parteien und für jene, die keine Parteienpräferenz haben; laizistisch, offen für alle Religiösen und für jene, die keine Religion haben; und friedlich! (…) Wir protestieren nicht für den Rücktritt irgendeines Politikers oder irgendeiner Regierung. Wir wollen die partizipative Demokratie stärken und nicht ihr Gegenteil!“ Zugleich lehnen die ursprünglichen InitiatorInnen – vier junge, politisch nicht organisierte Arbeitslose mit Uni-Diplom – eine Sprecherrolle ab: „Wir sind keine Repräsentanten“, sagt einer von ihnen dem Correio da Manhã.
Die junge Generation gilt als die am besten ausgebildete in der Geschichte des Landes. Dennoch bieten sich ihr kaum Chancen, viele hangeln sich von oft unbezahlten Praktika zu schlecht bezahlten, zeitlich befristeten Jobs. Fast jeder zweite Arbeitslose ist unter 35 und mehr als jeder zehnte diplomiert.
Auch die Gewerkschaften machen wiederholt gegen den Sparkurs der Regierung Socrates mobil. Eine Woche nach den Protesten der prekären Jugend folgen mehrere tausend Menschen einem Demonstrations-Aufruf der CGTP. Am 19. März ziehen ArbeitnehmerInnen aus dem öffentlichen Dienst und dem Privatsektor sowie RentnerInnen durch Lissabon. Seit Anfang des Jahres ist es zudem immer wieder zu Streiks gekommen. So legen ab dem 7. Februar die Beschäftigten im öffentlichen Nahverkehr die Arbeit nieder. Und am 16. Februar tritt das Zugpersonal gegen geplante Lohnkürzungen in den Ausstand.
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